Von dem Rekordhoch, das der Goldpreis Anfang August erreichte, ist inzwischen nur noch wenig zu spüren. Immerhin rund zehn Prozent seines Wertes hat das Gold seither einbüßen müssen. Ein entscheidender Grund dafür mag das Wiedererstarken des US-Dollars sein. Experten sehen allerdings noch einen weiteren Faktor, der direkten Einfluss auf die derzeitige Goldschwäche hat: die anstehende US-Präsidentschaftswahl.
Inhaltsverzeichnis
- 1 Der Goldkurs vor der US-Wahl
- 2 Warten auf die US-Präsidentschaftwahl
- 3 Goldpreis und US-Wahl: Vier Szenarien
- 3.1 1. Szenario: Demokraten erlangen Mehrheit im Senat und im Repräsentantenhaus
- 3.2 2. Szenario: Demokraten erlangen ausschließlich Mehrheit im Repräsentantenhaus
- 3.3 3. Szenario: Trump gewinnt den US-Präsidentschaftswahlkampf
- 3.4 4. Szenario: Keine klare Entscheidung / Trump erkennt Wahlausgang nicht an
- 4 So wirkte sich der Wahlsieg Joe Bidens tatsächlich auf den Goldpreis aus
Der Goldkurs vor der US-Wahl
Der US-Dollar hat in den letzten Wochen an Wert gewonnen und ist daher auch für Anleger wieder sehr interessant. Da der Dollar als ebenso sicher wie das Gold gilt, investieren einige Anleger, die sich aufgrund der voran gegangenen Dollarschwäche vor allem auf das Gold fokussiert hatten, nun doch wieder vermehrt in den US-Dollar. Da Gold an den Weltmärkten in der US-Währung gehandelt wird, ist das Edelmetall durch die aktuelle Dollarstärke für Anleger außerhalb der USA nun auch deutlich teurer, als es im Sommer der Fall war.
So kommt es, dass sich der Goldpreis aktuell um die 1.900 US-Dollar bewegt. Starke Schwankungen nach oben oder unten treten derzeit allerdings nicht auf. Das mag vor allem daran liegen, dass Anleger das Ergebnis der anstehenden US-Wahl am 3. November abwarten.
Warten auf die US-Präsidentschaftwahl
Mitte Oktober hofften einige Anleger, dass sich die US-Regierung schon in Kürze für ein neues, billionenschweres Konjunkturpaket einigen würde. Der republikanische Mehrheitsführer im Senat machte diese Hoffnungen Ende Oktober allerdings wieder zunichte, indem er durchblicken ließ, dass es vor der Präsidentschaftswahl keine Abstimmung über ein neues Stimulus-Paket geben würde. Inzwischen ist klar, dass ein solches Paket tatsächlich erst mit dem neuen (alten) Präsidenten zustande kommen wird.
Doch warum ist ein Stimulus-Paket so entscheidend für die Entwicklung des Goldpreises? Das Ziel eines neuen Billionen-Stimulus ist es, die Wirtschaft anzukurbeln. Die Folgen wären eine steigende Inflation in den USA sowie ein weiterer, dramatischer Anstieg der US-Staatsverschuldung. Da Gold bei einer Vielzahl von Anlegern als besonders krisensicher gilt, könnte der Goldpreis von der Verabschiedung eines billionenschweren Stimulus-Pakets stark profitieren.
Die Frage, die sich Anlegern hier allerdings stellt, ist, ob und in welcher Höhe ein neues Stimulus-Paket zustande kommt. Hier ist das Wahlergebnis durchaus entscheidend.
Goldpreis und US-Wahl: Vier Szenarien
Die US-Präsidentschaftswahl hatte bis hin zur Wiederwahl Barack Obamas keinen oder nur kaum Einfluss auf den Goldpreis. Infolge der vergangenen Wahl im Jahr 2016, bei dem es um die Entscheidung zwischen Donald J. Trump und Hillary Clinton ging, konnte erstmals eine gravierende Veränderung des Goldpreises beobachtet werden. Der Goldpreis kletterte zum damaligen Zeitpunkt, wie von vielen Experten schon im Vorfeld erwartet, nach oben. Doch schon nach wenigen Stunden fiel der Goldpreis bis in den Dezember hinein.
Angesichts der zahlreichen Krisen, mit denen die USA und die Welt aktuell und nicht zuletzt auch dank der Trump-Regierung zu kämpfen haben, scheint die US-Wahl im Jahr 2020 einen noch stärkeren Einfluss auf den Goldkurs haben zu können. Wie sich die anstehende „Schicksalswahl“ auf den Preis des Edelmetalls auswirken könnte, lässt sich anhand der folgenden Szenarien ermitteln.
1. Szenario: Demokraten erlangen Mehrheit im Senat und im Repräsentantenhaus
Sollte Joe Biden zum neuen US-Präsidenten gewählt werden, sind die Auswirkungen auf den Goldpreis vor allem davon abhängig, ob es den Demokraten gelingt, die Mehrheit im Repräsentantenhaus und im Senat zu erlangen. Ist dies der Fall, kann Biden eine stärkere Regulierung von Unternehmen und mehr Umweltschutz umsetzen – so, wie er es sich im Wahlkampf bereits zum Ziel gesetzt hat. Beides hätte höchstwahrscheinlich zu Beginn negative Auswirkungen auf den US-Aktienmarkt und auf die US-Währung, was wiederum in eine positive Entwicklung des Goldpreises resultieren würde.
Darüber hinaus wäre es Biden und den Demokraten möglich, mit einer Mehrheit im Senat und im Repräsentantenhaus ein Stimulus-Paket auf den Weg zu bringen. Da die Demokraten in den USA ähnlich wie die SPD in Deutschland dazu tendieren, deutlich mehr Staatsausgaben zu tätigen und Schulden zu machen als die konservative Partei (Republikaner in den USA; CDU in Deutschland), könnte das Stimulus-Paket deutlich größer ausfallen, als bei einem Wahlsieg Trumps. Die US-Staatsverschuldung und die Inflation würden dadurch ansteigen und Anleger würden mit hoher Wahrscheinlichkeit vermehrt in den „sicheren Hafen“ Gold investieren.
2. Szenario: Demokraten erlangen ausschließlich Mehrheit im Repräsentantenhaus
Obwohl es im Falle eines Wahlsiegs durch Joe Biden noch einige Zeit dauern würde, bis dieser das weiße Haus bezieht und die Amtsgeschäfte übernimmt, könnte es bereits kurz nach Verkündung des Wahlergebnisses zu einem Anstieg des Goldpreises kommen. Die Voraussetzungen dafür ist allerdings nicht nur, dass Biden eine konkrete Ankündigung zu dem geplanten Billionen-Stimulus macht. Die Demokraten benötigen auch eine Mehrheit im Repräsentantenhaus und im Senat, um das Stimulus-Paket sowie die Pläne bezüglich des Umweltschutzes und der Regulierung von Unternehmen letztendlich auch umsetzen zu können. Erhalten die Demokraten lediglich die Mehrheit im Repräsentantenhaus, wird es Biden kaum möglich sein, größere Veränderungen in der Wirtschaftspolitik umzusetzen.
Was im 1. und im 2. Szenario allerdings nicht außer Acht gelassen werden sollte, ist, dass sich Joe Biden mit hoher Wahrscheinlichkeit für eine Verbesserung der internationalen Beziehungen der USA zu Europa und der USA zu China einsetzen wird. Diese außenpolitische Entscheidung wiederum wird einen beruhigenden Effekt auf die Kapitalmärkte haben und den Siegeszug des Goldes dämpfen.
3. Szenario: Trump gewinnt den US-Präsidentschaftswahlkampf
Bis vor ein paar Wochen wäre es für viele undenkbar gewesen, dass es für Trump noch eine weitere Amtszeit gibt. Inzwischen sind sich auch Experten nicht mehr ganz so sicher, für welchen der beiden Kandidaten sich die Wähler in den USA letztendlich entscheiden werden. Kommt es tatsächlich dazu, dass Trump den US-Wahlkampf gewinnt, könnte dies eine Stärkung des US-Dollars zur Folge haben – auch, da die Republikaner derzeit kein annähernd so umfangreiches Stimulus-Paket wie die Demokraten planen. Den Goldpreis würde dieses Wahlergebnis folglich dämpfen. Zu berücksichtigen ist hier allerdings, dass sich die bereits bestehenden Handelskonflikte und die geopolitischen Risiken fortsetzen würden, durch die der Goldpreis gestützt wird.
4. Szenario: Keine klare Entscheidung / Trump erkennt Wahlausgang nicht an
Bereits seit Monaten macht Donald Trump vor seinen Anhängern immer wieder Andeutungen, dass er das Wahlergebnis im Falle seiner Niederlage nicht anerkennen würde, da er nur durch Wahlbetrug verlieren könne. Sollte dies tatsächlich eintreten, entstünden in den USA politische und wirtschaftliche Unsicherheiten – und dies über mehrere Monate hinweg. Die negativen Auswirkungen, die dieses Verhalten Trumps, auf die US-Währung und den Aktienmarkt der Vereinigten Staaten von Amerika hätte, dürfte sich jedoch positiv auf den Goldpreis auswirken.
So wirkte sich der Wahlsieg Joe Bidens tatsächlich auf den Goldpreis aus
Nach der Wahl am 3. November 2020 trat der in diesem Beitrag als „1. Szenario“ beschrieben Fall ein: Joe Biden gewann die Wahl und die Demokratische Partei erlangte die Mehrheit im Senat. Zunächst ging der Goldpreis tatsächlich nach oben und gelangte von 1.895,31 US-Dollar am 3. November 2020 auf 1.952,18 US-Dollar am 9. November 2020. In den darauffolgenden Tagen und Wochen sank der Goldpreis jedoch wider Erwarten – am 1. Dezember 2020 sogar auf nur mehr auf einen Wert von 1.777,80 US-Dollar.